Wirecard: Ist dieses Gerücht ernstzunehmen?
Lieber Leser,
ein in Börsenkreisen eher unbekannter Blog lanciert ein Gerücht über Wirecard und die Aktie gerät danach mächtig in Bewegung. Dieses Szenario kommt Ihnen bekannt vor? Kein Wunder. Das Kursdebakel infolge der dubiosen Zatarra-Studie im vergangenen Februar dürfte den meisten Anlegern in schlechter Erinnerung geblieben sein. Der Wirecard-Kurs hat daran immer noch zu knabbern.
Blog-Artikel sorgte am Mittwoch für Aufregung
Nun berichtete der Blog „Betaville“ am Mittwoch darüber, dass der chinesische Mobilfunkkonzern ChinaMobile beim deutschen Konzern mit bis zu 25 % einsteigen wolle, aber möglicherweise auch ein Übernahmeangebot jenseits von 30 % erwäge. Beide Unternehmen befänden sich bereits in ernsthaften Gesprächen.
Daraufhin legte die Wirecard-Aktie am Mittwoch in der Spitze um 8 % zu. Nichts beflügelt die Anlegerfantasie bekanntlich so sehr wie eine Übernahmespekulation. Zudem sind die chinesischen Beteiligungen an deutschen Firmen derzeit ja in aller Munde. Aber viele Börsianer winkten ab: „Alles frei erfunden.“
ChinaMobile hat eher andere Themen auf der Agenda
In der Tat: So weit ich weiß, beschäftigt sich ChinaMobile momentan vor allem mit zwei strategischen Zielen. Erstens will das Unternehmen seine Marktposition im chinesischen Breitbandnetz 4G weiter ausbauen. Zum Zweiten will der größte Mobilfunkkonzern Chinas auch zunehmend in der Festnetz- und Internetbranche Fuß fassen. Diese Strategie ist also sehr stark auf China ausgerichtet. Wie Wirecard in dieses Bild hineinpassen soll, ist mir nicht ganz klar.
Seriöser Internetauftritt eines freiberuflichen Journalisten
Ich habe mir den Blog „Betaville“ dennoch mal etwas genauer angeschaut. Im Unterschied zu der ominösen Zatarra-Seite handelt es sich meiner Meinung nach um den seriösen Internetauftritt eines freiberuflichen Journalisten namens Ben Harrington. Er veröffentlicht seit längerer Zeit regelmäßig Beiträge zu Wirtschaftsthemen aller Art. Eine Ausrichtung auf bestimmte Unternehmen ist nicht festzustellen. Also gehe ich mal davon aus, dass es sich hier nicht um einen üblen Manipulationsversuch handelt.
Abwarten und Zeitung lesen
Das heißt aber nicht, dass an dem Gerücht wirklich etwas dran ist. Denn eine konkrete Quellenangabe bleibt uns Harrington schuldig. Gut, das machen „Wall Street Journal“, „Handelsblatt“ und „Bloomberg“ im Prinzip auch nicht anders, wenn sie sich auf Personen berufen, die „mit den Vorgängen vertraut sind“, ohne ihre Namen zu nennen. Wir sind lediglich geneigt, ihnen eher zu glauben, weil sie häufiger mit ihren Geschichten richtig liegen.
Und es kann natürlich sein, dass ein vermeintlicher Insider dem Herrn Harrington eine Information gesteckt hat, dabei aber eigene Interessen verfolgt. Da bleibt uns nur eine Lösung, um Klarheit zu erhalten: In den nächsten Tagen und Wochen die Presselandschaft intensiv studieren. Wenn andere Medien das Gerücht aufnehmen und den Wahrheitsgehalt bestätigen können, wird es aus meiner Sicht erst wirklich interessant.
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Herzliche Grüße
Ihr Robert Sasse
Quelle: Robert Sasse
