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Ökonomie und Klima: Zum Start der UN-Klimakonferenz in Kopenhagen


Heute beginnt die UN-Klimakonferenz in Kopenhagen. Sie steht am vorläufigen Ende einer Serie von mittlerweile 15 Konferenzen der Vertragsstaaten der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (COP 15) und ist das fünfte Treffen im Rahmen des Kyoto-Protokolls (COP/MOP 5). Eigentlich sollen sich die Vertragsstaaten nach dem Fahrplan von Bali (Bali roadmap, 2007) auf ein neues Regelwerk für den Klimaschutz nach 2012 einigen (siehe dazu auch diese Infos von Greenpeace). Ob bzw. in welchem Umfang das gelingt ist derzeit noch offen.

Unbestritten dürfte dabei sein, dass ökonomische Fragen die Agenda bestimmt. Die Süddeutsche sieht in dem Klimagipfel in Wahrheit gar ein Wirtschaftsgipfel.

Ökonomisch spielt der Klimaschutz mittlerweile eine zentrale Rolle. Das hat bereits 2006 der Ökonom Nicholas Stern in einer eindrucksvollen Studie gezeigt. Der sogenannte Stern-Report untersucht die Beweise über die wirtschaftlichen Aspekte des Klimawandels und beleuchtet die wirtschaftlichen Aspekte der Stabilisierung von Treibhausgasen in der Atmosphäre. In der Zusammenfassung (hier eine kurze und hier eine lange Zusammenfassung)  des Reports (hier der 600-seitige Report) heißt es u.a.:

“Angesichts der Ergebnisse der formellen wirtschaftlichen Modelle schätzt das Review, dass die Gesamtkosten und -risiken des Klimawandels, wenn wir nicht handeln, gleichbedeutend mit dem Verlust von wenigstens 5% des globalen Bruttoinlandsprodukts jedes Jahr, jetzt und für immer, sein werden. Wenn man eine breitere Palette von Risiken und Einflüssen berücksichtigt, dann könnten die Schadensschätzungen auf 20% oder mehr des Bruttoinlandsprodukts ansteigen.

Im Gegensatz dazu können die Kosten des Handelns – des Reduzierens der Treibhausgasemissionen, um die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels zu vermeiden – auf etwa 1% des globalen Bruttoinlandsprodukts pro Jahr begrenzt werden.

Die Investitionen, die in den nächsten 10-20 Jahren erfolgen, werden einen tief greifenden Effekt auf das Klima in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts und im nächsten haben. Durch unser Handeln jetzt und über die nächsten Jahrzehnte könnte das wirtschaftliche und soziale Leben in einem Ausmaß ähnlich dem während der Weltkriege und der Wirtschaftskrise in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gestört werden. Und es wird auch schwierig, wenn nicht gar unmöglich werden, diese Änderungen rückgängig zu machen.”

Der Ökonomie-Nobelpreis Robert M. Solow, nennt Sterns Arbeit »ruhig, durchdacht und sorgfältig argumentierend«. Die Welt wäre geradezu »dumm«, ignorierte sie Sterns Botschaft, meint Amartya Sen, der 1998 den Nobelpreis erhielt (Quelle Zeit).

Sterns Report wurde aber auch kritisiert (zusammenfassend dazu Wikipedia): Insbesondere seine Schadenschätzungen seien übertrieben.

Eine umfassende Kritik unter dem Titel The Stern Review: A Dual Critique wurde von Robert M. Carter, C. R. de Freitas, Indur M. Goklany, David Holland und Richard Lindzen aus wissenschaftlicher Sicht und von Ian Byatt, Ian Castles, Indur M. Goklany, David Henderson, Nigel Lawson, Ross McKitrick, Julian Morris, Alan Peacock, Colin Robinson und Robert Skidelsky aus wirtschaftlicher Sicht veröffentlicht, in welcher die Genauigkeit und Vollständigkeit, sowie die Objektivität des Berichts infrage gestellt werden (siehe dazu hier). Diese Kritik wurde aber auch selber scharf angegriffen durch Wissenschaftler in einem Beitrag für das World Economics Journal (Zusammenfassung hier).

William Nordhaus, Sterling Professor für Wirtschaftswissenschaften an der amerikanischen Yale University, meint, die fundamentalen Fragen der Klimaschutzpolitik – wie viel, wie schnell und wie teuer – blieben im Stern-Bericht offen. Stern lege ungewöhnlich niedrige Diskontierungssätze („nahe null“) zugrunde, so dass Schäden, die erst in Jahrzehnten eintreten, stark gegenüber heutigen Aufwändungen gewichtet würden. Bei der Annahme von nach Nordhaus angemesseneren Diskontsätzen würde der Gegenwartswert der katastrophischen Ergebnisse fast verschwinden.

Richard Tol, der am Economic and Social Research Institute in Dublin, der Universität Hamburg, der Freien Universitaet Amsterdam und an der Carnegie Mellon University tätig ist, warf Stern in der Wirtschaftswoche vom 13. November 2006 vor, die Schäden viel zu hoch und die Kosten für die Emissionsreduktion viel zu niedrig angesetzt zu haben. Stern habe für seine Schadensschätzung von 5 bis 20 % des Bruttoinlandsprodukts nur extrem pessimistische Szenarien herangezogen und andere Studien, die Schäden von weit unter einem Prozent errechnen, unterschlagen, der Diskontierungssatz sei außerdem zu niedrig. Der Bericht biete keine wirkliche Kosten-Nutzen-Analyse und könne als „alarmistisch und inkompetent“ abgetan werden. Dies solle aber nicht heißen, dass der Klimawandel kein Problem sei und Treibhausgasemissionen nicht reduziert werden müssten. Vielmehr gebe es gute Argumente für Emissionsreduzierung.

Im Gegensatz zu den oben genannten Bewertungen kam eine Gruppe von Wissenschaftlern um den Umweltökonomen Frank Ackerman von der Tufts University zu dem Ergebnis, dass der Stern-Report mit seinen Berechnungen die Folgen des Klimawandels nicht über-, sondern unterschätzt. Die zu erwartenden durchschnittlichen Schäden im Jahr 2100 lägen bei 10,8 % des weltweiten BIP und damit um ein Vielfaches höher als in Sterns Schätzung.

 

Dieser Ausriss aus der wissenschaftlichen Diskussion zeigt leider wieder einmal, wie wenig Wirtschaftswissenschaftler sich zu einer einheitlichen Position aufraffen können. Immerhin konnte die Wirtschaftswissenschaft mit dem Emissionshandel (gute Zusammenfassung dazu im Blog Klimakrise) bereits einen sehr praktischen Beitrag zum Klimaschutz leisten.

Weitere Berichte zum Klimagipfel

Klimablog: Climategate – UK MetOffice überprüft Temperaturdaten von 160 Jahren

NZZ: «Handelt jetzt» Kundgebung für Massnahmen gegen den Klimawandel in London

Zeit: Klimaschutz Für uns wird es Zeit zu handeln

Wiwo: Wie der Klimawandel politisch ausgeweidet wird

HB: Klimagipfel in Kopenhagen: Obama kommt später – und schürt Hoffnungen

FTD: Hoffnung auf Durchbruch in Kopenhagen wächst

FTD: Thomas Fricke – Große Sause fürs Klima

HB: Klima-Katastrophe: Schlimmste Befürchtungen schon übertroffen?

Wiwo: CO2-Freikauf im Selbstversuch Moderner Ablasshandel für Klimasünde

HB: Weimers Woche: Rettet die Klimapanik!

HB: Kopenhagen-Gipfel: Wie die Industrieländer das Klima retten wollen

HB: Versicherungsbranche: Katastrophen als Geschäftschance


Quelle: Blicklog

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